Heiße Quelle

Die Badekultur spielt im japanischen Alltag schon seit vielen hundert Jahren eine enorm wichtige Rolle. Während die Bevölkerung Japans vor einigen Jahrzehnten noch auf öffentliche Badehäuser angewiesen war, da die Brandschutzbestimmungen des Landes private Bäder im eigenen Haus verboten, verfügen die meisten Häuser heutzutage in der Regel über Duschen oder Badewannen, genau wie es auch in Deutschland der Fall ist. Trotzdem verbinden Japaner mit dem Baden in öffentlichen Badehäusern viel mehr als bloß das Waschen des Körpers. Badehäuser sind oft mit Saunen und Whirlpool-Funktionen ausgestattet, was den Besuch in solchen Anstalten zu einem Genuss für Körper und Seele macht und die Alltagsprobleme vergessen lässt. Genau wie vor vielen Jahrzehnten gibt es solche Orte auch heute noch mitten in Großstädten zwischen Wohnblöcken versteckt, sodass der Besuch für Japaner in einem Badehaus meistens einfacher ist, als bei uns in Deutschland auf dem Dorf einen nahgelegenen Supermarkt zu finden.

Was genau ist eigentlich eine heiße Quelle?

Aber halt, versteht man unter einer „heißen Quelle“ nicht ein Thermalbad, dessen Wasser aus einer natürlichen heißen Quelle quellt? Wie kann so ein Ort mitten in einer Großstadt

wie Tokio sein? Die Antwort auf diese Frage ist nicht schwer: So etwas gibt es natürlich nicht. Bevor wir uns angucken, was für einen Komfort solche Badehäuser eigentlich bieten, müssen wir uns grundlegend darüber bewusst werden, dass es in Japan verschiedene Formen von „heißen Quellen“ gibt. Während bei uns der japanische Begriff „Onsen“ (温泉; dt. warme Quelle) allgemein bekannt ist und äquivalent mit heißen Bädern verwendet wird, ist den meisten Leuten gar nicht klar, was genau sie mit einem „Onsen“ eigentlich meinen.

Grundsätzlich wird in Japan zwischen den onsen und den sento (銭湯; dt. öffentliches Badehaus) unterschieden. Auf den ersten Blick würden wir keinen großen Unterschied sehen und wahrscheinlich beide Einrichtungen als „Onsen“ bezeichnen. Wie so oft liegt der Teufel hier aber im Detail! Einfach gesagt liegt der Unterschied darin, dass Onsen ihr Wasser aus einer natürlichen Quelle beziehen und das Wasser in Sentos dagegen künstlich erhitzt wird.

Optisch verbinden wir mit dem Begriff „Onsen“ ein natürliches, von Pflanzen und Felsen umgebenes Bad mit Blick auf eine wunderschöne Landschaft. Doch der Schein trügt: Ein optisch naturelles Bad muss nicht immer auf einer natürlichen Quelle basieren. Heutzutage gibt es auch eine Menge künstlich angelegter Bäder, die visuell an eine Quelle mitten in der Natur erinnern.

Sento – Eine Auszeit vom Großstadtleben

Um in einem öffentlichen Badehaus die Seele baumeln zu lassen, muss man also keine großen Strecken zurücklegen. In Großstädten wie Tokio oder Osaka findet man quasi an jeder Straßenecke ein Sento – etwa in dem Maßstab, wie es bei uns Tankstellen gibt. Bei Sento unterscheidet man für gewöhnlich zwischen einfachen Sento und den sogenannten „Super-Sentos“, die noch mal ein Upgrade höher sind.

Gewöhnliche Sentos sind schon viele Jahrzehnte alt und wurden in vielen Fällen auch seit der Erbauung nicht mehr renoviert. Wie auch in Super-Sentos und Onsen sind die Badebereiche hier streng nach Geschlechtern getrennt. Das liegt vor allem daran, dass man die öffentlichen Badehäuser völlig nackt, ohne Badebekleidung, betritt. Für gewöhnlich bestehen Sentos aus einem großen Raum, der in der Mitte durch eine nach oben hin offene Wand getrennt ist – so sind Männer und Frauen zwar im selben Raum, werden durch einen Sichtschutz aber getrennt. An den gefliesten Wänden sieht man oft diverse Bilder von der Natur oder dem Berg Fuji, wie man es aus alten japanischen Spielfilmen kennt.

Entspannung pur!

Sento

Auf der rechten Seite des Bildes sieht man Spiegel, über denen die Duschen fest an der Wand angebracht sind. In der Regel gibt es dort auch Plastikhocker, mit denen man sich dann vor die Spiegel setzen und sich gründlich waschen kann, bevor es dann in die riesigen Badewannen geht. In jedem Badehaus gibt es oft eine Vielzahl an verschiedenen Bädern, die sich durch eine andere Wassertemperatur oder verschiedene Whirlpool-Funktionen unterscheiden. Oft gibt es auch farbige Bäder, die mit diversen Zusätzen von verschiedenen Ölen o.ä. besonders gut für die Gesundheit sein sollen. Besonders interessant sind auch die sogenannten „elektrischen Bäder“, bei denen das Wasser durch technische Vorrichtungen leicht elektrisiert wird. Die elektrische Stimulierung des Körpers soll sich besonders gut anfühlen; aus eigener Erfahrung würde ich diese Becken in Zukunft aber lieber meiden.

In einigen Sentos findet man auch rotenburo (露天風呂; dt. Freiluftbad) – also Bäder, die sich nicht im Gebäude drinnen, sondern draußen an der Luft befinden. Darüber hinaus gibt es in manchen Sentos auch Saunen, die mit Zeituhren und sogar Fernsehern ausgestattet sind. Für die Abkühlung danach stehen in der Regel auch kalte Bäder parat, da diese in abwechselnder Nutzung mit der Sauna gut für den Kreislauf sein sollen.

Die Luxus-Variante: Super-Sentos!

Super-Sentos dagegen sind eine Nummer größer und können auch glatt als „Spa-Zentren“ bezeichnet werden. Sie sind in der Regel neuer und moderner als gewöhnliche Sentos und bieten viel mehr Extras. Neben schönen Bädern, die optisch an die natürlichen Onsen erinnern, bieten Super-Sentos auch Liegen, Massage-Service, Catering und viel mehr. Größere Super-Sentos bieten ihren Gästen auch Bademäntel, in denen sie zwischendurch, wenn sie mal nicht im Bad sind, entspannen oder schlafen können.

Ein besonders berühmtes und auch bei Touristen beliebtes Super-Sento ist das „Oedo Onsen Monogatari“ auf der künstlichen Insel Odaiba in Tokio. In dem 24 Stunden geöffneten Zentrum dürfen sich Kunden einen Yukata, eine traditionelle japanische Kleidung, aussuchen und einen ganzen Tag im mittelalterlichen Japan verbringen. Durch die mittelalterliche Aufmachung erinnert das Super-Sento schon fast an einen Freizeitpark, ähnlich wie das Disneyland oder die Universal Studios Japan.

Onsen – Wunder der Natur

Um ein heißes, entspannendes Bad zu nehmen, muss man also keine weite Reise auf sich nehmen.

Nichtsdestotrotz reisen Naturliebhaber kilometerweite Strecken bis in die tiefsten Berge Japans, um sich eine Auszeit zu nehmen und in einem der unzähligen Onsen die Seele baumeln zu lassen. Natürliche Onsen erfreuen sich großer Beliebtheit und bringen in der Regel ganze Dörfer mit sich, die sich heutzutage auf Tourismus spezialisiert haben. Hat man also vor, einen Onsen zu besuchen, so gibt es nicht nur ein Geschäft, dass die Aufenthalte vertreibt: Vielmehr findet man eine ganze Reihe an Hotels und Ryokan – traditionelle japanische Gasthäuser – die das heiße Wasser anzapfen und ihre Gäste in den Genuss eines Bades kommen lassen. Spricht man also von einem Onsen, ist nicht die Rede von irgendeinem Laden; viel mehr ist damit der Ort an sich mit dem ganzen umliegenden Dorf gemeint.

Aufgrund der Beschaffenheit der japanischen Insel, die zu einem großen Teil aus Bergen besteht, und der damit einhergehenden eher schlechten Infrastruktur kann es so also bis zu mehrere Stunden dauern, mit das Ziel erreicht wurde. Ein Besuch in einem Onsen ist somit weniger ein Tagesausflug, sondern vielmehr ein Urlaub am Wochenende.

Und was kostet so ein Besuch in einem Badehaus?

Ein Besuch in einem Badehaus an sich muss nicht teuer sein. Für ein zeitlich unbegrenztes Bad in einem gewöhnlichen Sento zahlt man im Durchschnitt zwischen 300 Yen und 500 Yen, wobei 100 Yen circa 83 Cent entsprechen (Stand: Juni 2020). Für die Nutzung der Sauna muss man in manchen Badehäusern nochmal 200-500 Yen extra zahlen; alles in allem also ein recht günstiges Unterfangen.

Super-Sentos dagegen können schön mal etwas mehr kosten. Oft zahlt man hier 900 – 1.500 Yen Eintritt – wobei hier erwähnt werden muss, dass solche Geschäfte ihr Geld in der Regel nicht mit dem Eintrittsgeld, sondern mit den ganzen Extras drum herum machen. Hier ein Eis, da eine Schüssel Reis und zum Schluss noch mal in den Massagesessel – und schon ist man 30 Euro leichter. Besonders gemein ist dabei oft das Zahlungssystem. Zu Beginn des Aufenthaltes bekommt man ein Schlüsselarmband, mit dem man seinen Spint öffnen kann – dieses Armband fungiert jedoch auch als Chip, mit dem man während seines Aufenthaltes zahlt – das Bargeld zahlt man dann erst am Ende des Besuchs, und so kann man schnell mal vergessen, wie viel Geld man denn nun überhaupt schon ausgegeben hat.

Auch natürliche Onsen kosten nicht viel mehr Geld, als die künstlich geschaffenen Badehäuser; hier wird man viel mehr für das ganze Drumherum eine Menge Geld los. Während allein die An- und Abreise in die entlegenen Gebiete mehrere tausend Yen kosten kann, zahlt man für die Unterkunft und das Catering auch noch mal eine ganze Stange Geld – so kann ein ganzes Wochenende dann schon mal viele hundert Euro kosten.

Und was gibt es sonst noch für Möglichkeiten, in so ein heißes Bad zu kommen?

Für Touristen ist es oftmals noch viel einfacher, in den Genuss eines heißen Bades zu kommen. Große Hotelketten bieten meistens moderne heiße Bäder mit Sauna an, die alle Hotelgäste kostenlos nutzen dürfen. In den Hotels in Tokio liegen diese oftmals oben auf dem Dach des Hotels, sodass man bei einem Besuch im Freiluftbad auch gleich in den Genuss kommt, einen super Ausblick über die Stadt zu haben. Bei der Wahl des Hotels ist es also eine gute Idee, darauf zu achten, ob das Hotel über ein heißes Becken verfügt oder nicht. Falls du gerade eine Reise nach Japan planst, solltest du dir auch unseren Artikel über die Hotelplanung durchlesen, in dem du noch mehr Tipps und Tricks erfährst.

Gibt es bei öffentlichen Badehäusern sonst noch etwas zu beachten?

Sowohl bei Onsen als auch bei Sento gibt es einige Dinge, die du beachten solltest. Im Eingangsbereich wirst du wahrscheinlich eine Stufe vorfinden, die du erst besteigen darfst, wenn du deine Schuhe ausgezogen hast. Was es damit auf sich hat und was du in dieser Hinsicht noch alles zu beachten hast, kannst du auch ausführlich in unserem Reisevorbereitungskurs lernen.

Deine ausgezogenen Schuhe verstaust du dann in einem dafür vorgesehenen Schließfach. Danach musst du zunächst den Eintritt für das Bad bezahlen – dies erfolgt entweder direkt bei einem Angestellten am Empfang, oder über einen Automaten – Japaner haben nämlich ein Faible für Automaten: Sei es für Getränke, Snacks oder sogar Kleidung. Wenn du gerade kein Handtuch dabei haben solltest, ist das auch kein Problem: Handtücher können in Badehäusern normalerweise auch gekauft oder geliehen werden, sodass du völlig unvorbereitet ein Bad nehmen kannst, ohne die passenden Sachen dazu mitgenommen zu haben. Auch Shampoo findest du vor Ort, musst aber in manchen Fällen ein kleines Entgelt von ein paar Cent dafür zahlen.

Wenn du diese erste Hürde geschafft hast und die Umkleidekabine erreicht hast, gibt es noch ein paar weitere Dinge, die du beachten solltest:

Onsen Regeln

Tattoos sind verboten!

Vielleicht hast du es schon mal gehört und für ein Gerücht gehalten: Tattoos sind in Badehäusern verboten. Das Phänomen hat etwas mit einer langen Tradition zu tun, bei der Yakuza, organisierte Verbrecher, sich am ganzen Körper tätowieren. Tattoos haben demnach in Japan einen sehr schlechten Stellenwert und werden meistens mit eben diesen Yakuza in Verbindung gebracht, weshalb diese in der Öffentlichkeit nicht gezeigt werden dürfen. Aber auch wenn du Tattoos hast, brauchst du keine Angst zu haben, dass du niemals ein Badehaus von innen zu Gesicht bekommen wirst. Es ist völlig in Ordnung, wenn du dein Tattoo einfach mit einer Binde oder einem großen Pflaster abdeckst. Du brauchst keine Angst haben, dass jemand hinter dein „Geheimnis“ kommen wird und du Ärger bekommst – diese Vorgehensweise ist völlig in Ordnung. Darüber hinaus gibt es auch einige kleinere, vor allem ältere Sento, die diese Regel unwirksam machen und auch tätowierte Leute in ihre Bäder lassen.

Kleidung nicht erlaubt!

Aus hygienischen und kulturellen Gründen ist das Tragen von Kleidung und Unterwäsche innerhalb des Bades verboten. Falls du also vorhattest, das Bad mit einer Badehose zu betreten, weil du schüchtern bist, solltest du dir diese Idee schnell wieder aus dem Kopf schlagen. Ohnehin würdest du dir schnell total albern vorkommen, weil außer dir alle anderen Leute nackt sind – in Japan ist das eben völlig normal. Ein kleines Handtuch, das du dir selbst mitbringen oder am Eingang vom Personal bekommen kannst, darfst du allerdings mit in das Bad nehmen – hier wärst du dagegen wiederum der einzige, falls du das nicht tun würdest.

Vor Betreten des Bads muss geduscht werden!

Die wichtigste aller Regeln ist das Duschen vor Betreten des Bades. Japaner legen einen sehr großen Wert auf Hygiene, daher solltest du dich zuallererst auf einen der Plastikhocker setzen und dich mit dem vorhandenen Shampoo gründlich zu waschen. Japaner verbringen hier kleine Ewigkeiten mit dem Waschen und schrubben auch Stellen, an die wir Deutschen wahrscheinlich noch nie in unserem Leben gedacht haben. Darüber hinaus findet man manchmal auch Einwegzahnbürsten, mit denen man sich dann auch gleich noch die Zähne putzen kann – was tut man nicht alles, um gut auszusehen?

Nachdem das dann erledigt wurde und du dich sauber genug fühlst, ist dann endlich der große Moment gekommen: das Baden! Es spielt dabei auch keine Rolle, ob du dich nun zuerst für ein Rotenburo entscheidest oder lieber erstmal drinnen bleibst.

Respekt vor den Mitmenschen!

Wie in allen anderen Situationen auch gilt hier natürlich die Regel, auf seine Mitmenschen zu achten und niemanden zu belästigen. Auch wenn man sich in öffentlichen Bädern gerne mit seinen Freunden oder Sitznachbarn unterhalten kann, ist das noch lange kein Grund dafür, lachend durch den ganzen Raum zu brüllen und die anderen Gäste zu belästigen. Japaner nehmen in dieser Hinsicht sehr viel Rücksicht und schweigen lieber, als irgendjemanden zu stören. Eine Sache, an die Europäer sich erfahrungsgemäß weniger halten. Als gute Gäste in einem fremden Land sollten wir uns also den örtlichen Gegebenheiten anpassen und dafür Sorgen, dass wir in guter Erinnerung behalten werden.

Wenn du noch mehr über Japan erfahren möchtest, eine Reise ins Land der aufgehenden Sonne planst oder dich für die japanische Sprache interessierst, würden wir uns freuen, dich bald persönlich in einem unserer Kurse begrüßen zu dürfen!

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